Kosmische Strahlung besteht aus geladenen Teilchen, die ihren Ursprung außerhalb des Sonnensystems haben. Warum nennen wir sie dann aber Strahlung? Der Grund ist, dass die kosmische Strahlung zu einer Zeit entdeckt wurde, als man sich noch nicht vergegenwärtigen konnte, was sie wirklich ist.
Anfangs hielt man sie für eine Art von elektromagnetischer Strahlung, wie zum Beispiel Röntgenstrahlung oder Gammastrahlung, welche aus Photonen bestehen. Im Jahre 1912 untersuchte Victor Hess, die kosmische Strahlung in einem Heißluftballon. Dabei stellte sich heraus, dass ,,eine Strahlung mit sehr hoher Durchdringungskraft unsere Atmosphäre von oben betritt“, wobei er die Sonne als Quelle ausschließen konnte. Einige Jahre später wurde herausgefunden, dass diese Strahlung aus geladenen Teilchen besteht, da sie von magnetischen Feldern abgelenkt wird. Photonen sind neutrale Teilchen und werden nicht von magnetischen Feldern abgelenkt.
Kosmische Strahlung gibt es im Überfluss, sie erreicht kontinuierlich die Erde und durchströmt den Weltraum. Daher ist es nicht schwer, einige kosmische Strahlen zu erfassen. Das ist ganz einfach möglich: mit einer selbstgebauten Nebelkammer oder auch mit einem Telefon.
Doch wenn man kosmische Strahlung nutzen möchte, um die Weiten und Extremen des Universums zu erkunden, muss man sehr hochenergetische kosmische Strahlung erfassen und ihre Eigenschaften im Detail messen. Im Zuge dessen haben Wissenschaftler verschiedenste Boden- und Weltraumteleskope entwickelt. IceTop und IceCube sind riesige Detektoren für kosmische Strahlung. Der Detektoraufbau, die Größe und geografische Lage ermöglichten es, kosmische Strahlung den ganzen Tag lang und in nahezu der gesamten südlichen Hemisphäre zu beobachten. Darüber hinaus können mit IceCube auch Neutrinos aus dem Weltall gemessen werden.
Was ist hochenergetische kosmische Strahlung?
Galaktische kosmische Strahlung besitzt zumeist eine Energie von 100 MeV bis 10 GeV. Protonen bilden den größten Anteil an Teilchen in der kosmischen Strahlung und bewegen sich bei diesen Energien mit einer Geschwindigkeit von 45% bis hin zu 99.6% der Lichtgeschwindigkeit. Niederenergetische kosmische Strahlung wird meist mit Detektoren in Ballons und Satelliten untersucht.
Wenn hochenergetische kosmische Strahlung mit der Erdatmosphäre interagiert, entsteht ein Luftschauer von Teilchen, welcher sich durch die Atmosphäre ausbreitet und am Erdboden nachweisbar ist. Dies geschieht jedoch sehr seltenen, da bei steigender Energie der kosmische Teilchenfluss deutlich abnimmt. Auch wird der Schauer mit höheren Energie größer, d.h. die Sekundärteilchen des Schauers breiten sich über einer sehr große Fläche aus. Nur mit sehr großen Detektorflächen am Erdboden und bei langer Betriebszeit können solche hochenergetischen Ereignisse bei 100 TeV detektiert und untersucht werden.
Während die niederenergetische kosmische Strahlung weithin gut untersucht ist, so sind der Ursprung und der Charakter von hoch-energetischer kosmischer Strahlung ein jahrhundertealtes physikalisches Rätsel. Zukünftige Forschungsaktivitäten werden sich darauf konzentrieren, diese Rätsel zu lösen, um zu verstehen, wie solch hochenergetische Teilchen erzeugt werden, die weit mehr Energie besitzen als solche in einem von Menschen erbauten Teilchenbeschleuniger.
Die Messung von kosmischer Strahlung mit IceTop
IceTop ist eine Anordnung von 162 Eistanks an der Oberfläche des Südpols, welche Teilchenschauer nachweisen kann. Diese sogenannte “sekundäre” kosmische Strahlung wird beim Zusammenstoß von “primärer” kosmischer Strahlung mit der Erdatmosphäre erzeugt. Passieren die sekundären Teilchen wie Elektronen, Photonen, Myonen oder geladene Hadronen einen Detektor, entsteht aufgrund des Tscherenkoveffekts blaues Licht. Ähnlich dem Überschallknall wird dies durch Teilchen, die sich mit einer höheren Geschwindigkeit als der Lichtgeschwindigkeit in Eis bewegen, erzeugt.
Ein kosmischer Teilchenschauer breitet sich gewöhnlich über mehreren IceTop-Tanks aus. Die Menge an Licht, die in jedem Tank detektiert wird, ermöglicht es, die Energie der eingefallenen Teilchen zu schätzen. Die Informationen aller vom Schauer getroffenen Tanks zusammengefasst, erlauben es, die gesamte Schauerform und Intensität zu modellieren. Darüber kann dann auf die Energie und Richtung des eingefallenen primären kosmischen Teilchens geschlossen werden.
Die meisten Teilchen eines Luftschauers zerfallen bevor sie die Erdoberfläche erreichen. Myonen hingegen können sich viele Kilometer durch Eis bewegen. IceCube liegt unter IceTop, in Tiefen von 1,5 km bis 2,5 km und selbst dort können noch Myonen eines kosmischen Teilchenschauers nachgewiesen werden.
Der Aufbau und Standort von IceTop bei einer Höhenlage von 2825 m ermöglicht es, kosmische Strahlung bei Energien von ca. 100 TeV bis hin zu EeV zu messen. Dies ist für Wissenschaftler besonders interessant, weil damit der Übergang von kosmischer Strahlung aus galaktischen und extragalaktischen Quellen untersucht werden kann (siehe Abbildung oben).
Kosmische Strahlung galaktischen Ursprungs deckt einen anderen Energiebereich ab und weist eine differente chemische Zusammensetzung auf als extragalaktische kosmische Strahlung.
Durch die Kombinierung von Messergbenissen von IceTop, also die Messung von Elektronen, Photonen, Myonen und geladene Hadronen, mit IceCube, also die Messung von Myonen, erfahren Wissenschaftler viel über die Massenkomposition der kosmischen Strahlung in Energiebereichen von etwa 100 TeV bis 1 EeV. Es wird erwartet, dass das Verhältnis von schweren Teilchen in der kosmischen Strahlung, also Eisenkernen, zu leichten kosmischen Teilchen, beispielsweise Protonen, beim Übergang von galaktischen zu extragalaktischen Quellen eine charakteristische Signatur aufweisen wird.
IceTop kann das gesamte Energiespektrum der kosmischen Strahlung vom Knie bis hin zum Knöchel messen. Die Ergebnisse im Energiebereich von 1.6 PeV bis 1.3 EeV weisen eine Abweichung von einen Potenzgesetz auf, welche bei einer Mischung von galaktischer und extragalaktischer Strahlung erwartet wird. Vertiefende Forschung in diesem Bereich wird uns dabei helfen, mehr über die extragalaktische Komponente der kosmischen Strahlung zu erfahren.
Neben der Erforschung der Entstehung und der Eigenschaften kosmischer Strahlung können uns Untersuchungen zur Verteilung der Ankunftsrichtung von primären kosmischen Teilchen dabei helfen, das Innere von Galaxien besser zu verstehen. IceTop und IceCube haben zum ersten Mal die Anisotropie der kosmischen Strahlung in der südlichen Hemisphäre abgebildet. In der nördlichen Hemisphäre wurden schon zuvor, von mehreren Detektoren, Anisotropien in der Verteilung der Ankunftsrichtungen von hochenergetischen kosmischen Teilchen nachgewiesen. Der Ursprung dieser Anisotropien ist noch nicht komplett erforscht, aber Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang zu magnetischen Feldern im Sonnensystem und nahegelegenen Quellen.